SCHÜLER

Schüler sein an der Deutschen Schule Den Haag

Ausflüge gehörten auch damals zu den Höhepunkten des Schullebens. (1)
Vor und in der Zeit des Nationalsozialismus besuchten auch viele jüdische Schüler die Deutsche Schule Den Haag. 1933 waren z.B. von 256 Schülern 36 Juden. Während manche bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus in Den Haag lebten, löste der Antisemitismus in Deutschland eine Flüchtlingswelle aus, bei denen viele deutsche Juden in die Niederlande flüchteten. Diese suchten auch in der Deutschen Schule Den Haag Anschluss, nur manche bevorzugten niederländische Schulen.
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Ein Zeugnis von Julius Hiby (5)
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Doch bereits 1934 holte die Erfahrung der Diskriminierung, die sie bereits in Deutschland gemacht hatten, die Juden in Den Haag ein. Unter anderem wurde das Fach „Rassenkunde“ eingeführt. So schrieb die Deutsche Schule Den Haag in ihrem Jahresbericht 1934/35: „Für uns ist es doch selbstverständlich, dass sich unsere Schule soweit wie nur möglich an die Neuerungen unserem Heimatland anpassen wird“. (Haags Gemeentearchief 989 – 249). Durch diese Einstellung der Schule wurden die jüdischen Schüler nicht nur im Unterricht „Rassenkunde“, sondern durchgehend von Schülern und Lehrern gedemütigt, unter denen sich natürlich auch überzeugte Nationalsozialisten befanden. Endgültig stand die deutsche Schule dann 1937 unter dem vollen Einfluss des Nationalsozialismus. In diesem Jahr wurde der langjährige Direktor Schuchmann durch den überzeugten Nationalsozialisten Dr. Honsberg ersetzt. Dies stellte den Höhepunkt des sich seit 1933 radikalisierenden Antisemitismus dar, welchen die jüdischen Schüler erleiden mussten und der zur ständigen Abnahme der Zahl der Juden in der Deutschen Schule führte. Nach der Besatzung der Niederlande 1940 wurde den jüdischen Schülern der Besuch der Deutschen Schule verwehrt und alle Juden, egal ob Deutsche oder Niederländer, durften nur noch jüdische Schulen besuchen.

Rafael Birnbaum (1919 – 1943)

Zum Schuljahr 1937 verließen auch die letzten jüdischen Schüler die deutsche Schule. Unter ihnen Rafael Birnbaum. Er war 1933 mit seiner Familie aus seiner Geburtsstadt Berlin nach Den Haag geflüchtet. Nach den Jahren der größer werdenden Isolation und Diskriminierung verließ er 1937 die Schule und wurde 1940 bei der Besatzung komplett aus seinem Leben gerissen. Seine Familie zog nach Gouda um. Dort wurden sie jedoch 1943 gefangen genommen, über das Sammellager Westerbork ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Steffie Hiby (1917 – 2009)

Steffie Hiby kam mit ihrer Familie kurz nach dem 1. Weltkrieg nach Den Haag. Als Hitler an die Macht kam, war sie schon eine junge Frau. Hiby berichtet, wie sie auf ihren Schultisch „HITLER VERRECKE“ geritzt hatte und ihre Eltern in die Schule bestellt wurden. Ihre beste Freundin war Jüdin und in deren Familie wurde über die Entwicklungen in Deutschland kritisch gesprochen. Auch erinnert sich Steffie Hiby daran, wie eines Tages ihr Vater auf einer Geschäftsreise in Bochum verhaftet wurde. Ein Mitarbeiter hatte ihn als Juden bei der Polizei gemeldet. Als er zur Familie nach Den Haag zurückkam, war er müde und kreidebleich. Ihre Familie war in der Schulgemeinschaft sehr engagiert. Sowohl ihre Geschwister, als auch ihre Eltern tauchen auf Fotos und in Berichten in den Jahrbüchern und Zeitungen der Schule immer wieder auf. Steffie Hiby zog 1937 in die USA und starb 2009 in Knoxville/Tennessee.

Klaus Erler (1926 – 2015)

Klaus Erler kam mit neun Jahren 1934 als Sohn einer liberalen Kaufmannsfamilie aus Hamburg nach Den Haag. Dort besuchte er erst die „Friedrich van Bylandt-Schule“, eine gemischt deutsch-niederländische Schule. In Den Haag genoss er die Freiheiten, die sein Leben zwischen den Kulturen mitbrachte. Dementsprechend stand er, wie seine Eltern, dem Nationalsozialismus kritisch gegenüber. Diese Einstellung verstärkte sich, als er 1937 auf das rein deutsche „Realgymnasium“ wechselte und sich der Hitlerjugend anschließen musste. Besonders belastend empfand er dabei, dass sich viele seiner niederländischen Freunde mit der Zeit von ihm als Deutschem distanzierten. Schlussendlich wurde er 1944 nach Bad Fallingbostel in Deutschland ausquartiert. Nach seinem Abitur 1945 zog er wieder zu seiner Familie, die bereits kurz vor Kriegsende zurück nach Deutschland geflüchtet war. Er lebte wieder in Hamburg und arbeitete dort als Graphikdesigner. Zu seinen Hobbys zählte das Gitarrespielen – Erler war ein großer Fan des Swings; eine Musik, die während der Zeit des Nationalsozialismus zur entarteten Kunst zählte. Klaus Erler starb 2015 in Hamburg.

Erzählung von Klaus Erler über das Geschehen an der Ostfront, ca. 1940. (6)
6 – 10 Jahre

Schülerschaft

Heute auf dem Schulhof habe ich mitbekommen, wie einer meiner Mitschüler einem anderen verboten hat, mit ihm zu spielen. „Du bist ein Jude, du darfst nicht mit uns spielen“, hat er gemeint. Ich fand es einfach ungerecht und beleidigend. Das ist aber nicht die erste Beleidigung, die ich gehört habe. Es ist nur ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie meine jüdischen Mitschüler und Juden insgesamt von anderen behandelt werden. Ich möchte nicht in deren Haut stecken – sie werden einfach ausgegrenzt und übel beschimpft, weil sie eine andere Religion haben. Ich frage mich, was ich beim nächsten Mal tun kann?

Quellen

(1, 2, 3, 4) Haags Gemeentearchief 989 – 289

(5) Bruder von Steffie Hiby (privat)

(6) Haags Gemeentearchief 989 – 258